70. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Die Wettbewerbe: Auseinandersetzungen mit einer Welt in der Krise

22.03.2024 - Insgesamt 117 kurze Filme wurden für die fünf Wettbewerbe der 70. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen ausgewählt. In vielen Filmen steht die Auseinandersetzung mit aktuellen Krisen im Vordergrund. 

Keyvisual der Kurzfilmtage
Keyvisual der 70. Internationaeln Kurzfiltage Oberhausen (Grafik: Kurzfilmtage Oberhausen)

Es geht um Kriege, Klimawandel, das Verhältnis zwischen Mensch und Natur oder Flüchtlingsbewegungen. Auch das Verblassen traditioneller Familienmodelle oder die Schwierigkeiten, in einer sich verändernden Welt Mutterschaft, Beziehungen oder Freundschaften neu zu definieren, sind Thema zahlreicher Arbeiten. Neben eindrücklichen dokumentarischen und fiktionalen Arbeiten stehen dabei auch formale Experimente mit einer starken künstlerischen Handschrift auf dem Programm, während vor allem im Musikvideo der Einsatz von KI im Kurzfilm vorangetrieben wird.

Mensch und Natur

Unser Verhältnis zur Natur und vor allem zu Tieren wird in zahlreichen Arbeiten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln beleuchtet. Im Internationalen Wettbewerb dokumentiert Laura Cooper (UK) in The Gathering das jährliche Zusammentreiben von Wildpferden in Wales, in No horses on Mars filmt Bea de Visser (NL) aus dem Blickwinkel der Pferde sowohl wie es ist, in freier Wildbahn zu galoppieren wie auch in einem engen Transporter eingepfercht zu sein.

Die luxemburgische Produktion Meadows Wait, Mist Diffuses von Dzhovani Gospodinov dagegen besteht aus Bildern einer Wildkamera im Wald von Hosbësch, während die österreichische Regisseurin Angelika Reitzer in abstechen in ruhigen Bildern das Schlachten eines Schweins zeigt. Komödiantischer nähert sich im Deutschen Wettbewerb der Spielfilm Gezielt Mittelalterliche Überlegungen von Paula Milena Weise und Finn Ole Weigt (D) dem Thema Tier, wenn die Lehrerin Frau Schröder sich auf einmal mit einem streunenden Bären konfrontiert sieht. 

Nicht nur unser Verhältnis zu Tieren findet sich in den Wettbewerbsfilmen, sondern auch Reflektionen zur Natur: Im NRW-Wettbewerb zeigt die poetische Animation The Garden of Alalá von David Jansen und Sophie Biesenbach-Jansen die Welt als eisige Wüste nach der globalen Katastrophe. Die Protagonistin in der argentinischen Produktion El mal menor (The Lesser Evil) von Marcos Montes de Oca im Internationalen Wettbewerb kämpft dagegen in der Gegenwart damit, dass ihr Heim vom Sand verschlungen wird.

Krieg und Konflikt

Zahlreiche Arbeiten in den Wettbewerben reflektieren die kriegerischen Auseinandersetzungen unserer Zeit, oft durch den Spiegel des zweiten Weltkriegs. Französische Re-enacter schlüpfen im Deutschen Wettbewerb in Fariba Buchheims A War I’ve Never Seen ohne größere Vorbehalte in deutsche Wehrmachtsuniformen. Im Internationalen Wettbewerb setzt sich die US-amerikanische Regisseurin Chi Jang Yin in I WAS THERE, part II mit Hilfe neuer Materialien aus den Archiven der US-Armee mit den Folgen von Hiroshima auseinander.

Szenenbild aus A War I've Never Seen (Ein Krieg, den ich nie sah) (Foto: Fariba Buchheim)
Szenenbild aus A War I've Never Seen (Ein Krieg, den ich nie sah) (Foto: Fariba Buchheim)

Und Avec la 4e Division Marocaine de Montagne der österreichischen Regisseurin Stefania Smolkina nimmt den in eine Felswand nahe Feldkirch gemeißelten marokkanischen Stern einer Truppe, die im zweiten Weltkrieg für Frankreich kämpfte, zum Ausgangspunkt für ein Essay über Erinnerung.

Der Golfkrieg dagegen klingt in der schwedische Produktion On Hospitality – Layla al Attar and Hotel al Rasheed von Magnus Bärtås (Großer Preis der Stadt Oberhausen 2010 für Madame & Little Boy) und Behzad Khosravi-Noori an, die sich dem Thema über das von Saddam Hussein erbaute Hotel al Rasheed, dem „Schauplatz des ersten Fernsehkrieges“, nähern. Der deutsch-norwegische Medienkünstler Bjørn Melhus hingegen verlegt im Deutschen Wettbewerb mit [dramatic music continues] das Kriegskino in den Kopf, indem er auf schwarzem Bildschirm nur Untertitel aus Kriegsfilmen zeigt.

Künstliche Intelligenz stark im Musikvideo

Für den diesjährigen MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo sind zehn Clips nominiert. Fünf davon wurden mit Hilfe von KI produziert, Beleg für die besondere Experimentierfreudigkeit des Genres. Dabei spielen die Clips oft damit, die Möglichkeiten der KI auszureizen oder zu überreizen: Manitulation (stadtfischflex Uwe Bastiansen and the flexible orchestra) von Astrid Busch kombiniert analoge Manipulation und KI, A Quickie in the Bouncy House (Pierce Warnecke) von Pierce Warnecke und Matthew Biederman nutzt akustische Manipulation, Schleim des Nichtwissens (Black to Comm) von Marc Richter (über-) reizt die KI bis zur Grenze der Halluzination. In Markus S. Fiedlers Grunewald is burning (Die Türen) versucht ein übereifriger Regisseur, mit Hilfe von KI aus einer Postpunk-Band im mittleren Alter eine dynamische Tanztruppe zu machen, während Stephan Dybus in HBD (Erregung öffentlicher Erregung) DIY-Videoästhetik und How to paint-Videos in einer 3D-Welt bis zur totalen Absurdität übereinander schichtet.


Fakten

Voller Saal im Lichtburg Filmpalast (Foto: Kurzfilmtage/Daniel Gasenzer)
Voller Saal im Lichtburg Filmpalast (Foto: Kurzfilmtage/Daniel Gasenzer)

Für den größten und ältesten Wettbewerb der Kurzfilmtage, dem Internationalen Wettbewerb, wurden 45 Arbeiten ausgewählt. Im Deutschen Wettbewerb werden 16 Produktionen gezeigt, im NRW-Wettbewerb 11. Im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb laufen 35 Arbeiten, für den MuVi-Preis wurden 10 Kandidaten ausgewählt. Insgesamt vergeben die Kurzfilmtage Preise in Höhe von über 40.000 Euro. Die Preisverleihung findet am Sonntag, 5. Mai 2024, um 19.30 Uhr statt.

Weitere Infos finden Sie auf den Webseiten der Kurzfilmtage.


Termine

Internationaler Wettbewerb: 2.-5. Mai
Deutscher Wettbewerb: 4. und 5. Mai
NRW-Wettbewerb: 3. und 4. Mai
Kinder- und Jugendfilmwettbewerb: 1.-6. Mai
MuVi-Preis: 4. Mai